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DÜWAG AG
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COMBINO-Prototyp
Im Rahmen der Entwicklung des neuen, modularen Niederflur-Strassenbahnwagens NF 100 fiel der Beschluss, zusätzlich zur Konzeptentwicklung einen kompletten Prototypen bzw. ein Vorserienfahrzeug zu bauen. Im Januar 1996 wurde mit der Montage begonnen. Bereits im April 1996 konnten erste Fahrversuche in der Halle durchgeführt werden. Am 3. Juli 1996 – exakt sieben Monate nach Montagebeginn – erfolgte das feierliche Rollout als «COMBINO» auf dem Werkareal der Duewag AG in Düsseldorf. AufbauDer vierteilige Zweirichtungswagen wies eine Kastenbreite von 2'300 mm auf und war für den Einsatz auf normal- und meterspurigen Netzen konzipiert. Bei einer Gesamtlänge von 26'380 mm bot er 140 Fahrgästen Platz (wovon 50 Sitzplätze). Der Prototyp war aus folgenden Wagenteilen bzw. Modulen zusammengestellt (Wagenende 1–Wagenende 2):
Der Prototyp war nur für den Hersteller in dieser Zusammensetzung gebaut worden. In ihm waren alle Komponenten in entsprechenden Modulen vorhanden. Die Anwendung des Einzelrad-Einzel-Fahrwerks (EEF) und die damit zusammenhängende Länge des B-Teils (9'100 mm) hing mit dem zulässigen Raddruck zusammen, der beladen 5'000 kg nicht überschreiten sollte. Ausführungen mit EEF wurden nur am fünfachsigen Prototypen realisiert und nicht weiterverfolgt. WagenkastenDie Bodenpartien aller Wagenteile waren geschweisste Aluminium-Konstruktionen. Die Seitenwände bestanden aus einem verschraubten Gerippe mit Eck-, Fenster- und Türsäulen. Die Seitenbeplankung war aus Strangpressprofilen, die mit den Säulen verschraubt waren. Die gesamte Seitenwand wurde ebenfalls mit der Bodenplatte verschraubt. Das Sandwichdach (Aluminium-Hartschaum-Aluminium) wurde mitsamt Befestigunspunkten für Dachaufbauten sowie Dachkanälen vorgefertigt und mit den Obergurten und den Endspriegeln verklebt. Der Schallisolation wurde mit einem schwimmend gelagerten Fussboden sowie mit Schalldämmmatten und Antidöhnbeschichtungen Rechnung getragen. Die Bodenpartie des Kopfmoduls wurde mit jener der anschliessenden Fahrwerkmoduls verschweisst. Die aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) bestehenden Stirnwand wurde damit verklebt. Lediglich die Führerstände waren klimatisiert, die Fahrgasträume konnten durch die Dachluftheizgeräte im Sommer auch belüftet werden. Zwei der drei Gelenke waren nur um die Hochachse drehbar. Der einachsige «Anhänger» stützte sich auf den benachbarten Wageteil über ein weiteres Gelenk ab, welches zwecks Passierbarkeit von Neigungswechseln nebst Dreh- auch Nickbewegungen zuliess. Die Gelenke waren jeweils mittig zwischen den Wagenteilen angebracht. Die gesamte Gelenkpartie war von einem Faltenbalg umschlossen. FahrwerkeDie beiden Triebfahrwerke waren mittels Längslenkern drehsteif mit dem Wagenkasten verbunden und ausschliesslich mit Losrädern ausgestattet. Diese waren über den Asynchronmotor, Kegelrad-Winkelgetriebe und Gummikeilpaketkupplungen untereinander mechanisch längsgekoppelt. Da beide Motoren von einem gemeinsamen Umrichter angesteuert wurden, bestand zudem eine elektrische Querkopplung der Räder. Die Räder waren lose auf einer starren, unter dem Fahrzeugboden durchgehenden Portalachse gelagert. Die Vertikalabfederung gegenüber dem Fahrwerkrahmen erfolgte durch zwei beidseitig der Radlagerung auf Lagerarmen der Quertraverse abgestützte am Rahmen anliegende Gummi-Metall-Schichtfedern mit Eigendämpfung, welche eine längs- und querelastische Radpaarführung gewährleisteten. Die Sekundärfederstufe bestand aus einer Kombination von Stahlschraubenfedern und Gummizusatzfedern. Die Vertikal- und Querschwingungen wurden zudem hydraulisch gedämpft. Eine elektro-hydraulische Federspeicherbremse wirkte auf die auf der Motorwelle sitzende Bremsscheibe. Das EEF mit den schwenkbaren Rädern war keine Neuentwicklung. Es entsprach dem in den Rostocker 6NGTWDE eingebauten Laufwerken, ebenfalls eine Duewag-Entwicklung. Elektrische AusrüstungDer Stromabnehmer sowie der Hauptschalter befanden sich auf dem Dach des Einzelachs-Wagenteils B. Die vier sechspoligen Fahrmotoren waren eigenbelüftet und wiesen eine Dauerleistung von 100 kW bei 1580 U/min auf. Pro zwei Motoren in einem Fahrwerk war auf dem Dach des jeweiliegn Wagenteils ein luftgekühlter IGBT-Umrichter mit Bremschopper und -widerstand in einem Container untergebracht. Im Container über dem Wagenteil A befand sich zusätzlich die Batterie, welche von dem im Container B untergebrachten Ladegerät gespeist wurde. Wie bei Siemens üblich erfolgte die gesamte Steuerung von einem SIBAS-32-Mikroprozessorsystem. Die Zielanzeigen des Prototyps stammten von Brose. |
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Einsatz und VerbleibDer Prototyp diente sowohl zur Erprobung des Fahrzeugkonzepts und der neuentwickelten Komponenten als auch als Vorführobjekt für potenzielle Kunden. Dementsprechend verkehrte er in zahlreichen Städten und wurde auf vielen Ausstellungen gezeigt (vgl. nachstehende Aufstellung). Dafür stand neben den normalspurigen Fahrwerken auch ein meterspuriger Satz zur Verfügung. Nicht restlos gelang dem Erprobungsträger offensichtlich die Aufdeckung der konstruktiven Mängel, welche sämtlichen COMBINOs der ersten Baulose noch stark zu schaffen machen sollten (siehe Grounding und Sanierung). Insbesondere die Fahrten auf dem anspruchsvollen Basler Meterspurnetz hätten eigentlich eindeutige Hinweise dazu liefern sollen. Sie zogen gar Anpassungen am Wagenkasten und der Federung des Prototyps nach sich. Möglicherweise war auch die Wahl der eisenbahnmässig trassierten Strecke Inzersdorf–Baden der Wiener Lokalbahnen für den einzigen Langzeittest ungeeignet. Hinzu kam, dass aufgrund der niedrigeren Dachlasten des Prototypen (keine Klimageräte) auch geringer Kräfte auf den Wagenkasten wirkten. Nach erfolgreichem Start der Serienlieferungen wurde der Prototyp ab 1999 für Vorführfahrten nicht mehr benötigt und schliesslich bei den Verkehrsbetrieben Potsdam GmbH (ViP) abgestellt. Um neben den Serien-COMBINOs ein 17. Niederflurfahrzeug zu erhalten, entschieden sich die ViP dafür, den Wagen zu übernehmen, so weit als möglich den Serienfahrzeugen anzupassen und für den Fahrgastverkehr zu nutzen. Seit Ende 2009 steht er im Einsatz. Die meterspurigen Triebfahrwerke gingen an die BVB. |
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Der interessante Lebenslauf des COMBINO-Prototypen:
2. Juni 1994 | Planungsbeginn bei Siemens für einen neuen Low-Cost-Niederflur-Strassenbahnwagen NF 100 | |
Januar 1996 | Freigabe für den Rohbau und Baubeginn eines Prototypen | |
April 1996 | Erste Fahrversuche in der Halle | |
19. Juni 1996 | Erste Fahrversuche aus eigener Kraft | |
3. Juli 1996 | Roll-out mit Normalspurfahrwerken unter dem Namen «COMBINO» | |
September 1996 | Probezerlegung zwecks Ermittlung von Life-Cycle-Cost-Basisdaten | |
4. bis 8. Oktober 1996 | Statischer Aufenthalt auf Normalspurfahrwerken im Betriebshof Marzahn, Berlin (8. Oktober 1996 Presse-Präsentation) | |
10. bis 13. Oktober 1996 | Versuchs- und Messfahrten auf Normalspurfahrwerken in Potsdam (Laufleistung 512 km) | |
29. Oktober bis 7. November 1996 |
Versuchs- und Messfahrten auf Normalspurfahrwerken auf dem Rheinbahn-Netz in Düsseldorf (Laufleistung 300 km) | |
15. November 1996 bis 13. April 1997 |
Versuchs- und Messfahrten auf Normalspurfahrwerken auf der Strecke der Wiener Lokalbahnen (WLB) (Laufleistung 15'000 km) | |
20. Dezember 1996 | Als erste bestellen die Verkehrsbetriebe Potsdam GmbH (ViP) 48 Exemplare des COMBINO im Wert von 140 Mio. DM. | |
1. bis 5. Juni 1997 | Statische Präsentation auf Normalspurfahrwerken am UITP-Kongress bzw. der Ausstellung City-Transport 97 in Stuttgart | |
9. bis 22. Juni 1997 | Test- und Abnahmefahrten für Fahrgasteinsätze auf Normalspurfahrwerken im neuen Siemens-Prüfcenter Wegberg-Wildenrath | |
25. bis 27. Juli 1997 | Statische Präsentation auf Normalspurfahrwerken auf dem Nahverkehrsforum in Essen | |
30. Juni bis 25. August 1997 | Erstmaliger Einsatz auf Normalspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Potsdam (effektiv vom 3. Juli bis 24. August 1997; Laufleistung 8'200 km) | |
9. September bis 30. November 1997 |
Präsentation und Einsatz auf Normalspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen auf einer eigens neu errichteten, 640 Meter langen Teststrecke in Barcelona (ES) | |
8. Dezember 1997 bis 27. Februar 1998 |
Umbau auf Meterspur (Werk Düsseldorf) und anschliessende Testfahrten im Testzentrum Wegberg-Wildenrath | |
3. bis 11. März 1998 | Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Erfurt (effektiv ab 6. März 1997) | |
13. März bis 18. Mai 1998 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Basel (effektiv vom 26. März bis 13. Mai 1998). | |
19. Mai bis 19. August 1998 |
Überarbeitung des Prototypen (Werk Düsseldorf): Änderungen an der Aluminium-Kastenstruktur, Überarbeitung von Federung und Dämpfung der Fahrwerke sowie Nachrüstungen der Gelenklager. Anschliessend Testfahrten im Testzentrum Wegberg-Wildenrath. | |
22. Juni 1998 | In einer Verwaltungsratssitzung beschliessen die BVB die Beschaffung von 28 COMBINOs in der 42-m-Version zu einem Stückpreis von 3,5 Mio. Franken. | |
7. bis 18. September 1998 | Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Zürich anlässlich des 4. Internationalen Stadbahnkongresses (14. bis 18. September 1998). | |
23. September 1998 | Statische Präsentation in Stein am Rhein anlässlich der Bahntagung | |
25. September bis 12. Oktober 1998 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Augsburg | |
9. Oktober 1998 | Der ersten COMBINO aus der Serienfertigung für Potsdam (Tw 401) trifft daselbst ein | |
12. bis 16. Oktober 1998 | Umbaurbeiten (Werk Düsseldorf) | |
19. Oktober bis 2. November 1998 |
Präsentation auf Meterspurfahrwerken in Mannheim und Ludwigshafen | |
23. Oktober 1998 | Der ersten COMBINO aus der Serienfertigung für Potsdam (Tw 401) nimmt den Fahrgastbetrieb auf | |
3. bis 4. November 1998 | Präsentation auf Meterspurfahrwerken in Heidelberg | |
5. bis 13. November 1998 | Umbauarbeiten (Werk Düsseldorf) | |
11. November 1998 | Das Basler Parlament bewilligt mit grossem Mehr einen Kredit von 101 Millionen Schweizer Franken zur Beschaffung von 28 siebenteiligen COMBINOs (Ratschlag 8864). Die Bestellung erfolgt im Februar 1999. | |
17. November bis 4. Dezember 1998 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Mühlheim/Oberhausen | |
8. Dezember 1998 bis 15. Januar 1999 |
Umbau auf Normalspur (Werk Düsseldorf) und anschliessende Testfahrten im Testzentrum Wegberg-Wildenrath | |
18. Januar 1999 bis 4. Februar 1999 |
Präsentation und Einsatz auf Normalspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Amsterdam (NL). Um die Grachtenbrücken passieren zu können musste der Wagenkasten 4 cm höher gesetzt werden. | |
5. bis 8. Februar 1999 | Präsentation auf Normalspurfahrwerken in Rotterdam (NL) | |
9. Februar bis 11. März 1999 |
Umbau auf Meterspur (Werk Düsseldorf) | |
10. März bis 14. April 1999 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Alicante (ES) | |
20. April bis 17. Mai 1999 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in La Coruna (ES) | |
31. Mai bis 18. Juni 1999 |
Umbauarbeiten (Werk Düsseldorf) | |
22. Juni bis 11. Juli 1999 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Bern | |
14. Juli bis 5. November 1999 |
Umbauarbeiten und Tests (Werk Düsseldorf) | |
8. bis 12. November 1999 | Testfahrten im Testzentrum Wegberg-Wildenrath | |
29. August bis 4. Oktober 2000 |
Präsentation und Einsatz auf Meterspurfahrwerken im Linienverkehr mit Fahrgästen in Genf (effektiv vom 17. September bis 3. Oktober 2000) | |
07. Oktober 2000 | Der erste COMBINO für Basel (Be 6/8 301) trifft ein | |
25. Oktober 2000 | Transport nach Potsdam | |
1. Februar 2002 | Präsentation am «COMBINO-Tag» im Testzentrum Wegberg-Wildenrath | |
September 2002 | Der Prototyp geht in das Eigentum der Verkehrsbetriebe Potsdam (ViP) über | |
24. Juni bis 8. Juli 2003 | Testfahrten in Brüssel (z. T. im Zugsverband mit Erfurter Tw 635 zwecks Adhäsionsmessungen!) | |
22. Mai 2005 | Letzmaliger Einsatz anlässlich der 125-Jahr-Feier der Potsdamer Strassenbahn | |
23. Mai 2005 | Ausserbetriebnahme infolge eines Elektroschadens | |
16. April 2008 | Nach langer Abstellzeit Abtransport zur Sanierung durch Siemens in Krefeld-Uerdingen und Anpassung an die Serienwagen bei der Firma Iftec in Leipzig. | |
16. Juli 2009 | Der Prototyp trifft wieder in Potsdam ein. | |
23. Dezember 2009 | Wiederinbetriebnahme als Tw 400 | |
28. Januar 2010 | Taufe auf den Namen «Perugia» (Partnerstadt von Potsdam) |
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